2022 - ein Blick zurück

The Shabs auf der Thayabühne
© Reinhard K. Saurer

Persönliche Rückschau

Auch 2022 wird als Krisenjahr in die Geschichte eingehen. Der Krieg vor der Haustür, die horrenden Energiepreise und vieles mehr lassen kein unbeschwertes Leben zu. Wenigstens hat sich Corona insoweit beruhigt, dass es nicht mehr unseren Alltag dominiert. Veranstaltungen können wieder uneingeschränkt stattfinden, und das ist gut so. Ich habe es zumindest genossen wieder "normal" auf Konzerte gehen zu können. Da waren dann doch einige beglückende Highlights dabei wie etwa die bewegende Performance von Patti Smith in der Wiener Arena. Das dazupassende Peace T-Shirt vom Merchandise-Stan durfte dabei nicht fehlen. Doch abseits von allen Botschaften war Patti Smith, die ich 2004 das erste Mal beim Sziget-Festival in Budapest erlebt habe, damals noch barfuß im Schlamm tanzend, nach dem Motto ihres Hits "Dancing Barefoot", live immer großes Kino. Ebenso sensationell das Konzert der "Mountain Goats" im Wiener WUK. John Darnielle aus Kalifornien ist ein lässiger Performer und die Lo-Fi-Folk-Indie Hymnen der Band machen speziell live richtig Spaß. Das Bright Eyes-Konzert, ebenfalls in der Arena Wien, konnte hingegen die Erwartungen aufgrund von Conor Obersts Liebe für diverse Substanzen nicht ganz erfüllen. Wenigstens hat er es durchgezogen. Immer gut die Ärzte (Vorband die sympathischen Cari Cari), von der Dimension heuer die größte Show, die ich erleben durfte und das, obwohl am gleichen Tag Sturm in der Europa League gegen Midtylland gespielt hat.

Auf Festivalebene müssen es nicht mehr die scheinbar großen Kracher sein. Mein ehemaliges Lieblingsfestival "Frequency" hat ohnedies schon die Wandlung zum Mainstream-Event durchmachen müssen. Ein Trend, der seit einigen Jahren nicht einmal mehr vor FM4 haltmacht. So sind dort Harry Styles, Talylor Swift oder Beyonce zum Alltag geworden. Da freut es mich umso mehr, wenn ich Anfang Juli nach Waidhofen komme und der Karli auf der Thayabühne (die kleinere von zwei Bühnen) jedes Jahr einige Schmankerl ausgräbt, die bei uns sonst keiner auf der Rechnung hat, wie letztes Jahr beispielsweise die südafrikanische Punkband "The Shabs" oder die isländische Klangmalerin Soley. Auch die österreichische Songwriterin Violetta Parisini hat bezaubert. Den Hut ziehe ich nicht nur vorm Karli aus Waidhofen, sondern auch vor den Mannen von platoo.at, die ein ebenso glückliches Händchen für großartige, bei uns oft weitgehend unbekannte Acts haben und in Graz so manchen Leckerbissen für Musikfeinschmecker auftischen. Ein fixer Programmpunkt ist dabei der Montagstermin im Grazer Kultlokal "Die Scherbe", wo Singer/Songwriter aus dem In- und Ausland für Gänsehaut sorgen. Mein persönliches Highlight in der Scherbe war heuer der in Wien lebende Deutsche Ansa Sauermann. Ein lustiges Erlebnis hatte ich bei dem ebenfalls von "platoo" veranstalteten Festival "Autumn Leaves", als die kanadische Indierockerin Tess Parks die Bühne betrat. Spontan zeigte sie auf mich und begrüßte mich persönlich mit einem "Thank you". An das restliche Publikum richtete sie während des gesamten Gigs kein einziges Wort, ließ nur ihre meist psychedelischen Songs wirken, bis sie mich mitten im Konzert plötzlich fragte: "Are you from Toronto, too?" Da musste ich innerlich schmunzeln, als mir bewusst wurde, was ich vor dem Konzert gar nicht bedacht hatte. Tess Parks stammt aus Toronto und ich trug einen "Toronto Maple Leafs"-Sweater, echt zufällig. Daraufhin hat mir ein slowenischer Tess Parks-Fan mit einem "I´m here with Tess"-T-Shirt spontan ein Bier spendiert. Sowas erlebt man halt nur live...

Am Ende noch traditionell zu meinen persönlichen Jahrescharts, wo es für Tess Parks trotz dieses Erlebnisses nur zu Platz 99 reichte: Nach langer Zeit gaben da wieder die US-Amerikaner den Ton an: Platz 1 ging an die sensationelle Ballade "Change" von Big Thief gefolgt von "The Ghost in the Machine" von The Dawes und eben den Mountain Goats mit "Bones Don´t Rust". Bester österreichischer Act wurde die bezaubernde Oska mit "Woodstock" auf Platz 7.

 

 

Veröffentlicht am 08.01.2023

Über die Autorin / den Autor

 

reini, Albersdorf/Austria, Ilztal, Graz, English, österreichische Literatur, music forever, viele Schienen, used to perform/theatre, nothing better than live, Studio Alben auch cool, nichts geht über einen Song auf der Terrasse, am besten einen eigenen, schreiben ja, aber nicht immer, „Der Holzmotorsägenbauer“, „Sie nannten es Goal“, Sturm Graz, Graz 99ers, Steiermark but Austrian music, the young and the old ones, mit Mario film, wie hieß der schnell, meeting at the clock, Weinberge and craft beer, say father, say husband, this is all true, mein wortschatz, basta.