Die Freie Szene und ihre gesellschaftspolitische Relevanz

Publikum
© Tom Mesic

Die Kunst und die Freiheit – zwei große Begriffe. Die Freiheit der Kunst ist in Österreich seit 1982 in der Verfassung verankert: "Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei."

Die Definition der „Freien Szene“ ist leicht; es handelt sich um einzelne Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen, Institutionen, Vereine oder KünstlerInnengruppen, die in ihrer Arbeit nicht der Kulturpolitik des Landes, des Bundes, der Gemeinde verpflichtet sind. In die meisten der Begriffsbeschreibungen mischen sich blumige Erwartungen an diese Szene, etwa „Impulsgeber für Innovation“, „Spiegel der Vielfalt“ oder das „Leben von Freiräumen“. Die Kehrseite dieser Anerkennung ist, dass die freie Kunst und Kultur sehr oft vor den Karren der Immobilienaufwertung gespannt werden: Die Betreiber von Schlachthöfen oder Tabakfabriken ziehen hinaus in die Gewerbegürtel. Die Zwischennutzung des Leerstandes bis zur „Entwicklung“ durch Investoren überlässt man den Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen. Das Wort „Gentrifizierung“ ist zum Schlagwort geworden.

Tatsächlich vermittelt die Arbeit in den Freien Szenen, wie das gute Leben aussehen könnte. Es ist nicht der Profit, der zu Vernetzung und Kooperation zwingt, sondern der Wunsch, bestehende Verhältnisse zu verbessern, kreativ zu handeln und unbürokratisch etwas auf die Beine zu stellen. Um es am Beispiel von Oberösterreich zu zeigen: Ab den1970ern begann die Kultur im Land zu boomen, Kunst wurde sozusagen demokratisch und behauptete gesellschaftspolitische Relevanz. Förderlich war bestimmt die sozialdemokratische Haltung „Kunst und Kultur für alle“, die Entwicklung der freien Szeneerfolgte aber überparteilich und in kritischer Distanz.

Die Abgrenzung zur elitären Hochkultur gelang in einer Industriestadt wie Linz, in einer Region wie Oberösterreich besser als im bürgerlichen Salzburg oder in Wien, der Hauptstadt der „Kulturnation“. So gründeten Studierende der Kunstuni Linz 1979 die Stadtwerkstatt. Nur drei Jahre jünger ist die „KUPF – Kulturplattform OÖ“, die als Interessensvertretung und Netzwerk von Kulturinitiativen mehr Mitglieder vereint denn je und zu einem „Player“ im Betrieb geworden ist. Über die Landesgrenzen bekannt ist das „Festival der Regionen“, das seit 1993 die vermeintlichen Gegensätze von Provinz und Kunst, „Elite“ und „Einheimische“ erfolgreich zerlegt. Seit 1998 sendet das nichtkommerzielle FRO (Freies Radio Oberösterreich), dessen Programmrichtlinie bestens zur Haltung der ganzen Freien Szene passt: „rassistische, sexistische, faschistische und die Würde des Menschen verletzende Inhalte, sowie Personen und Gruppen, die solche Inhalte programmatisch vertreten, sind ausdrücklich ausgeschlossen“.

 

 

Veröffentlicht am 09.10.2023

Über die Autorin / den Autor

Dominika Meindl
© (Foto: Zoe Goldstein)

Dominika Meindl, *1978;  lebt und arbeitet in Linz, Wilhering und Wels als Schriftstellerin, Moderatorin, Journalistin und Literaturveranstalterin. Leitet die 2009 von ihr gegründete Lesebühne Original Linzer Worte (mit Klaus Buttinger und René Bauer). Schreibt Rezensionen für den Falter. Selbsternannte Bundespräsidentin der Republik Österreich. Kuratiert gemeinsam mit Sebastian Fasthuber die Reihe experiment literatur in Wels. Ab 1.1.2019 Regionalsprecherin der GAV OÖ (gemeinsam mit Judith-Gruber-Rizy und Rudi Habringer).

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„Eine Frau mit recht wenigen Eigenschaften“:
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